Abmahnung Arbeitgeber
Abmahnung Arbeitgeber
Abmahnung Arbeitgeber, Erfordernis einer Abmahnung durch den Arbeitgeber, Rügefunktion und Warnfunktion einer Abmahnung.
Das BAG hat in der nachfolgenden Entscheidung zum Erfordernis einer Abmahnung durch den Arbeitgeber wie folgt entschieden:
BUNDESARBEITSGERICHT
2 AZR 258/11
2 Sa 979/10
Hessisches
Landesarbeitsgericht
Im Namen des Volkes!
Verkündet am
19. April 2012
URTEIL
Schmidt, Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In Sachen
beklagtes, berufungsbeklagtes und revisionsklagendes Land,
pp.
Kläger, Berufungskläger und Revisionsbeklagter,hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 19. April 2012 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Kreft, den Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Eylert, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Rachor sowie die ehrenamtlichen Richter Frey und
Dr. Grimberg für Recht erkannt:1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil
des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 3. November 2010 – 2 Sa 979/10 – im Kostenpunkt und insoweit
aufgehoben, als es auf die Berufung des Klägers das
Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 31. März
2010 – 7 Ca 3503/09 – abgeändert und festgestellt hat,
dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des beklagten Landes vom 13. November 2009
nicht aufgelöst worden ist.2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen
Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten
der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung, hilfsweise einer außerordentlichen Kündigung mit sozialer
Auslauffrist.
Der im Jahr 1957 geborene Kläger ist verheiratet, gehbehindert und mit
einem Grad von 80 als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Er war beim
beklagten Land seit 1989 als Verwaltungsangestellter beschäftigt. Seit dem
Jahr 2005 war er beim staatlichen Immobilienmanagement, Niederlassung W
(im Folgenden: Immobilienmanagement), tätig. Auf das Arbeitsverhältnis fand
kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der Bundesangestellten-Tarifvertrag
(BAT) Anwendung. Nach § 53 BAT war der Kläger ordentlich nicht mehr kündbar.
Im Jahr 2007 beschwerte sich eine beim Immobilienmanagement als
Leiharbeitnehmerin beschäftigte Mitarbeiterin bei der Leitung der Niederlassung
über den Kläger. Sie fühlte sich von ihm belästigt. Es kam zu einem Verfahren
vor der Beschwerdestelle nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz(AGG). Mit Schreiben vom 19. April 2007 teilte die Beschwerdestelle dem
Kläger mit, dass die Mitarbeiterin weder dienstlich noch privat Kontakt mit ihm
wünsche und dieser Wunsch vorbehaltlos zu respektieren sei. Eine unmittelbare dienstliche Kontaktaufnahme mit der Mitarbeiterin habe „auf jeden Fall zur
Vermeidung arbeitsrechtlicher Konsequenzen zu unterbleiben“.
Mit Schreiben vom 8. Oktober 2009 wandte sich eine andere, seit Februar 2009 beim Immobilienmanagement als Leiharbeitnehmerin beschäftigte
Mitarbeiterin an dessen Direktor. Dieser leitete das Schreiben am 12. Oktober
2009 an die zuständige Personalabteilung in der Zentrale weiter. In dem
Schreiben erklärte die Mitarbeiterin, dass sie sich durch den Kläger in unerträglicher Art und Weise belästigt und bedrängt fühle. Obwohl sie sich ihm gegenüber deutlich abweisend geäußert habe, suche er weiterhin Kontakt zu ihr. In
der Zeit von Mitte Juni 2009 bis Anfang Oktober 2009 hatte der Kläger
– unstreitig – insgesamt mehr als 120 E-Mails, MMS und SMS an die Mitarbeiterin versandt. Das beklagte Land teilte dem Kläger am 13. Oktober 2009 mit,
dass eine Beschwerde gegen ihn vorliege, der Sachverhalt aber noch aufgeklärt werden müsse. Als „Sofortmaßnahme“ ordnete es an, dass der Kläger mit
sofortiger Wirkung jeden dienstlichen und privaten Verkehr mit der Beschwerdeführerin zu unterlassen habe und nur in dienstlichen Dingen über Dritte Kontakt
zu ihr aufnehmen dürfe. Am 15. Oktober 2009 hörte das beklagte Land die
Mitarbeiterin an, die ihm am 16. Oktober 2009 den gesamten E-Mail-Verkehr
mit dem Kläger überließ. Noch am selben Tag wurde der Kläger schriftlich über
die gegen ihn erhobenen Vorwürfe informiert. Er erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 23. Oktober 2009. Mit Schreiben von diesem Tage, das
beim beklagten Land am 26. Oktober 2009 einging, nahm er zu den Vorwürfen
Stellung.
Mit Schreiben vom 29. Oktober 2009 hörte das beklagte Land den Personalrat der Niederlassung W zu einer – nach noch einzuholender Zustimmung
des Integrationsamts – beabsichtigten außerordentlichen fristlosen Tat-, hilfsweise Verdachtskündigung, hilfsweise jeweils mit sozialer Auslauffrist bis zum
30. Juni 2010 an. Der Personalrat stimmte der Kündigung tags darauf zu. Mit
Schreiben vom 30. Oktober 2009 hörte das beklagte Land auch die örtlicheSchwerbehindertenvertretung an. Mit weiterem Schreiben vom selben Tage
beantragte es beim Integrationsamt die Zustimmung, die dieses am
13. November 2009 erteilte.
Noch mit Schreiben vom 13. November 2009 erklärte das beklagte
Land gegenüber dem Kläger die außerordentliche fristlose Kündigung, hilfsweise die außerordentliche Kündigung unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist
zum 30. Juni 2010.
Dagegen hat der Kläger rechtzeitig Klage erhoben. Er hat die Ansicht
vertreten, die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung lägen
nicht vor. Das beklagte Land habe die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB
nicht gewahrt. Im Übrigen fehle es an einem wichtigen Grund. Nachdem die
betreffende Mitarbeiterin Anfang September 2009 erklärt habe, keinen privaten
Kontakt mehr mit ihm zu wünschen, habe er nur noch wenige Male den Kontakt
zu ihr gesucht. Das beklagte Land habe ihn allenfalls abmahnen dürfen. Dass
er zu einer Verhaltensänderung in der Lage sei, zeige sein Verhalten nach
Erhalt des Schreibens vom 19. April 2007, welches freilich seinerseits gerade
keine Abmahnung darstelle. Im Übrigen sei der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden.
Der Kläger hat – soweit für das Revisionsverfahren von Interesse – beantragt
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den
Parteien durch die außerordentliche Kündigung des
beklagten Landes vom 13. November 2009 weder fristlos noch mit Ablauf des 30. Juni 2010 beendet worden
ist.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die
Auffassung vertreten, bereits die außerordentliche fristlose Kündigung sei unter
allen rechtlichen Gesichtspunkten wirksam. Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung liege vor. Einer (weiteren) Abmahnung habe es nicht
bedurft, nachdem der Kläger sich bereits im Jahr 2007 in vergleichbarer Weise
pflichtwidrig verhalten habe.Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht
hat ihr stattgegeben. Mit der Revision begehrt das beklagte Land die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Mit der von ihm gegebenen
Begründung durfte das Landesarbeitsgericht der Klage nicht stattgeben. Ob die
Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet hat, steht noch nicht fest.
I. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, es fehle für die außerordentliche Kündigung
vom 13. November 2009 an einem wichtigen Grund iSv. § 54 Abs. 1 BAT, § 626
Abs. 1 BGB.
1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB – und dem inhaltsgleichen § 54 Abs. 1 BAT –
kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem
Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter
Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten
Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dafür ist
zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an
sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es
der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter
Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der
Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (BAG 9. Juni 2011 – 2 AZR 323/10 –
Rn. 14, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 10. Juni 2010
– 2 AZR 541/09 – Rn. 16, BAGE 134, 349).a) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des
Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis
zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das
Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 9. Juni 2011 – 2 AZR 323/10 – Rn. 26, AP
BGB § 626 Rn. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 10. Juni 2010 – 2 AZR
541/09 – Rn. 34, BAGE 134, 349). Dabei lassen sich die Umstände, anhand
derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar
ist oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber
regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung,
der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier
Verlauf (BAG 9. Juni 2011 – 2 AZR 323/10 – Rn. 27, aaO; 10. Juni 2010 – 2 AZR
541/09 – Rn. 34, aaO). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht,
wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen,
weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar
sind (BAG 9. Juni 2011 – 2 AZR 323/10 – Rn. 27, aaO; 16. Dezember 2010
– 2 AZR 485/08 – Rn. 24, AP BGB § 626 Nr. 232 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 33;
10. Juni 2010 – 2 AZR 541/09 – Rn. 34, aaO).
b) Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst
nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere
Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG
9. Juni 2011 – 2 AZR 381/10 – Rn. 18, AP BGB § 626 Nr. 234 = EzA BGB 2002
§ 626 Nr. 35; 10. Juni 2010 – 2 AZR 541/09 – Rn. 37, BAGE 134, 349). Dies gilt
grundsätzlich auch bei Störungen im Vertrauensbereich (BAG 9. Juni 2011
– 2 AZR 381/10 – Rn. 18, aaO; 12. Mai 2010 – 2 AZR 845/08 – Rn. 29, AP BGB
§ 626 Nr. 230 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 31).c) Dem Berufungsgericht kommt bei der im Rahmen von § 626 Abs. 1
BGB vorzunehmenden Interessenabwägung ein Beurteilungsspielraum zu. Die
Würdigung des Berufungsgerichts wird in der Revisionsinstanz daraufhin
überprüft, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle
vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 9. Juni 2011 – 2 AZR 323/10 – Rn. 29, AP BGB § 626 Nr. 236
= EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 10. Juni 2010 – 2 AZR 541/09 – Rn. 17,
BAGE 134, 349). Eine eigene Abwägung durch das Revisionsgericht ist dann
möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und
sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (BAG 9. Juni 2011 – 2 AZR 323/10 –
Rn. 29, aaO; 10. Juni 2010 – 2 AZR 541/09 – Rn. 33, aaO).
2. Auch unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabs hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, mangels einschlägiger
Abmahnung sei die Kündigung des beklagten Landes vom 13. November 2009
wegen Fehlens eines wichtigen Grundes iSv. § 54 Abs. 1 BAT, § 626 Abs. 1
BGB unwirksam, auf der Basis seiner bisher getroffenen Feststellungen einer
revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Annahme, eine Abmahnung
sei im Streitfall nicht entbehrlich gewesen, wird von den bisherigen Feststellungen nicht getragen.
a) Im Ergebnis zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, bei
dem Schreiben der Beschwerdestelle vom 19. April 2007 habe es sich nicht um
eine Abmahnung gehandelt.
aa) Dies folgt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts allerdings nicht daraus, dass das Schreiben nicht auf die Änderung eines generellen
Verhaltens auch gegenüber anderen Beschäftigten des beklagten Landes
abzielte. Für die Erfüllung der Warnfunktion einer Abmahnung ist es nicht
erforderlich, dass der Arbeitgeber die zu unterlassende Pflichtverletzung losgelöst vom konkreten Verstoß generalisierend beschreibt. Der mit einer Abmahnung verbundene Hinweis auf eine Bestandsgefährdung des Arbeitsverhältnisses im Wiederholungsfall erstreckt sich grundsätzlich auch auf vergleichbarePflichtverletzungen. Es reicht aus, dass die jeweiligen Pflichtwidrigkeiten aus
demselben Bereich stammen und somit gegebene Abmahnungs- und potentielle Kündigungsgründe in einem inneren Zusammenhang stehen (BAG 9. Juni
2011 – 2 AZR 323/10 – Rn. 31, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626
Nr. 36; 13. Dezember 2007 – 2 AZR 818/06 – Rn. 41, AP KSchG 1969 § 4
Nr. 64 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 82).
bb) Entgegen der – Teilen des Schrifttums folgenden – Auffassung des
Klägers fehlt dem Schreiben vom 19. April 2007 auch nicht deshalb der Abmahnungscharakter, weil die darin für den Wiederholungsfall enthaltene Androhung von „arbeitsrechtlichen Konsequenzen“ zur Erfüllung der Warnfunktion
einer Abmahnung nicht ausreichend wäre.
(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gehört zu den
unverzichtbaren Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Abmahnung neben
der Rüge eines genau zu bezeichnenden Fehlverhaltens (Rügefunktion) der
Hinweis auf die Bestands- oder Inhaltsgefährdung des Arbeitsverhältnisses für
den Wiederholungsfall (kündigungsrechtliche Warnfunktion) (BAG 18. November 1986 – 7 AZR 674/84 – zu II 5 der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17 = EzA BGB § 611 Abmahnung Nr. 4). Der Arbeitgeber muss in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art
und Weise seine Beanstandungen vorbringen und damit deutlich – wenn auch
nicht expressis verbis – den Hinweis verbinden, im Wiederholungsfall sei der
Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet (BAG 17. Februar
1994 – 2 AZR 616/93 – zu II 1 der Gründe, BAGE 76, 35). Der Senat hat einer
„ordnungsgemäßen Abmahnung“ ein „nur als Abmahnung bezeichnetes
Schreiben“ gegenübergestellt, in welchem nicht ausdrücklich auf kündigungsrechtliche Konsequenzen hingewiesen, sondern nur „mit weiteren rechtlichen
Schritten“ für den Wiederholungsfall gedroht worden war (vgl. BAG 15. März
2001 – 2 AZR 147/00 – EzA BGB § 626 nF Nr. 185; vgl. auch 8. Dezember 1988
– 2 AZR 294/88 – EzAÜG AÜG § 10 Fiktion Nr. 60). Die Androhung „arbeitsrechtlicher Schritte“ sei zur Erfüllung der Warnfunktion hingegen ausreichend
(BAG 31. Januar 1985 – 2 AZR 486/83 – zu B I 2 der Gründe, AP MuSchG 1968§ 8a Nr. 6 mit zust. Anm. Bemm; vgl. auch 30. Mai 1996 – 6 AZR 537/95 –
zu II 1 der Gründe, AP BGB § 611 Nebentätigkeit Nr. 2 = EzA BGB § 611
Abmahnung Nr. 34: Androhung „individualrechtlicher Konsequenzen“).
(2) Im Schrifttum wird zumeist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung
des Bundesarbeitsgerichts verlangt, dass die Abmahnung einen Hinweis auf die
Gefährdung von Inhalt oder Bestand des Arbeitsverhältnisses enthalten muss,
um ihre kündigungsrechtliche Warnfunktion zu erfüllen (Adam AuR 2001, 41;
Kittner/Däubler/Zwanziger-Deinert 8. Aufl. KSchR § 314 BGB Rn. 56; APS/
Dörner/Vossen 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 348; HaKo-Fiebig/Zimmermann 4. Aufl.
§ 1 KSchG Rn. 244; KR-Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 270;
v. Hoyningen-Huene RdA 1990, 193, 198; Thüsing/Laux/Lembke, Liebscher
KSchG 2. Aufl. § 1 Rn. 389; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 1
Rn. 495; ErfK/Müller-Glöge 12. Aufl. § 626 BGB Rn. 25; SPV/Preis 10. Aufl.
Rn. 8, 1205). Dafür sei zwar nicht unbedingt die ausdrückliche Androhung einer
Kündigung notwendig, der Arbeitgeber müsse aber in einer dem Arbeitnehmer
deutlich erkennbaren Art und Weise konkret bestimmte Leistungs- oder Verhaltensmängel beanstanden und damit den eindeutigen und unmissverständlichen
Hinweis verbinden, bei künftigen gleichartigen Vertragsverletzungen seien
Inhalt und Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet (HaKoFiebig/Zimmermann aaO; KR-Fischermeier § 626 BGB Rn. 273 mwN ua. auf
BAG 15. August 1984 – 7 AZR 228/82 – BAGE 46, 163; v. Hoyningen-Huene/
Linck KSchG § 1 Rn. 497). Das Inaussichtstellen konkreter kündigungsrechtlicher Maßnahmen, etwa einer außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung
bzw. einer Beendigungs- oder Änderungskündigung, sei hingegen nicht erforderlich (Kittner/Däubler/Zwanziger-Deinert aaO; APS/Dörner/Vossen aaO;
HaKo-Fiebig/Zimmermann aaO; Thüsing/Laux/Lembke, Liebscher aaO); es
reiche die Androhung „kündigungsrechtlicher Konsequenzen“ (HaKoFiebig/Zimmermann aaO; Thüsing/Laux/Lembke, Liebscher aaO). Zum Teil wird
auch der Hinweis auf „arbeitsrechtliche Konsequenzen“ für ausreichend gehalten (Beckerle Die Abmahnung 10. Aufl. S. 127 ff.; Kittner/Däubler/ZwanzigerDeinert KSchR § 314 BGB Rn. 60) oder, jedenfalls unter besonderen Umständen, die Ankündigung „arbeitsrechtlicher Schritte“ (v. Hoyningen-Huene/LinckKSchG § 1 Rn. 497 unter Hinweis auf BAG 31. Januar 1985 – 2 AZR 486/83 –
AP MuSchG 1968 § 8a Nr. 6; Th. Wolf Zur Abmahnung als Voraussetzung der
verhaltensbedingten Kündigung durch den Arbeitgeber S. 164). Nach anderer
Ansicht genügt die Ankündigung „arbeitsrechtlicher Konsequenzen“ nicht, da
dadurch nicht hinreichend deutlich gemacht werde, dass der Bestand des
Arbeitsverhältnisses als solcher auf dem Spiel stehe; arbeitsrechtliche Konsequenzen könnten auch Versetzungen, Umsetzungen oder weitere Abmahnungen sein (HaKo-Fiebig/Zimmermann aaO; Thüsing/Laux/Lembke, Liebscher
aaO).
(3) Nach zutreffender Auffassung kann schon die Androhung „arbeitsrechtlicher Konsequenzen“ eine hinreichende Warnung vor einer Bestandsgefährdung des Arbeitsverhältnisses sein. Mit einer solchen Formulierung wird ausgedrückt, dass der Arbeitnehmer im Wiederholungsfall mit allen denkbaren
arbeitsrechtlichen Folgen bis hin zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses
rechnen muss. Eine ausdrückliche Kündigungsandrohung ist dafür nicht erforderlich. Es ist ausreichend, wenn der Arbeitnehmer erkennen kann, der Arbeitgeber werde im Wiederholungsfall möglicherweise auch mit einer Kündigung reagieren.
cc) Das Schreiben vom 19. April 2007 stellt gleichwohl keine Abmahnung
dar. Es fehlt an einer Rüge vorherigen Fehlverhaltens. In dem Schreiben ist als
Ergebnis des Beschwerdeverfahrens lediglich dokumentiert, dass die betroffene
Mitarbeiterin keinen Kontakt mehr mit dem Kläger wünsche. Zwar wird außerdem – zur Vermeidung „arbeitsrechtlicher Konsequenzen“ – die Beachtung
dieses Wunsches der Mitarbeiterin für die Zukunft verlangt. Das Schreiben
enthält aber nicht die eindeutige Bewertung, dass das vorangegangene Verhalten des Klägers eine Pflichtverletzung dargestellt habe.
b) Die weitere Annahme des Landesarbeitsgerichts, eine Abmahnung sei
im Streitfall auch nicht entbehrlich gewesen, hält dagegen – auf der Basis der
bisher getroffenen Feststellungen – einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht
stand.aa) Es steht nicht fest, welchen Kündigungssachverhalt das Landesarbeitsgericht dieser Würdigung zugrunde gelegt hat. Es hat dahingestellt sein lassen,
ob das Verhalten des Klägers gegenüber der betroffenen Mitarbeiterin eine
Straftat oder jedenfalls eine schwerwiegende Pflichtverletzung dargestellt oder
zumindest einen entsprechenden Verdacht begründet habe. Es hat angenommen, der Kläger habe, selbst wenn nur sein Sachvortrag als wahr unterstellt
werde, die ihm aufgrund des Arbeitsvertrags obliegenden Verhaltenspflichten in
jedem Fall verletzt. Es hat aber nicht gewürdigt, ob nicht auf Basis des Vorbringens des beklagten Landes von einer erheblich schwerer wiegenden Pflichtverletzung auszugehen wäre. Festgestellt sind nur die mehr als 120 vom Kläger an
die betroffene Mitarbeiterin gesandten Nachrichten. Nach dem vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommenen erstinstanzlichen Vorbringen des beklagten Landes hatte sich der Kläger jedoch immer wieder auch auf andere Weise,
wie etwa durch unerwünschte persönliche Kontaktaufnahmen, aufgedrängt.
Das beklagte Land hat ua. geltend gemacht, der Kläger habe sich gegen den
ausdrücklich erklärten Willen der Mitarbeiterin wiederholt und zunehmend
aggressiv und aufdringlich in ihr Privatleben eingemischt. Um sie zu weiterem
privaten Kontakt mit ihm zu bewegen, habe er ihr ua. damit gedroht, er könne
dafür sorgen, dass sie keine Anstellung beim Land bekomme, und werde ihren
Ehemann, der über keine unbefristete Aufenthaltserlaubnis verfügte, bei der
Polizei und der Ausländerbehörde anzeigen. Bei der Mitarbeiterin habe dies
massive Angstzustände verursacht.
bb) Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, dem Kläger habe
die Distanzlosigkeit seines Verhaltens und die damit einhergehende Pflichtverletzung „aufgrund des schleichenden Prozesses“ entgehen können, steht dies
im Widerspruch zu seiner Feststellung, die betroffene Mitarbeiterin habe dem
Kläger Anfang September 2009 den „eindeutigen“ Hinweis gegeben, nur noch
im unbedingt notwendigen dienstlichen Rahmen mit ihm Kontakt haben zu
wollen. Warum dem Kläger die Pflichtwidrigkeit und der bedrängende Charakter
seines Verhaltens auch nach diesem Hinweis nicht erkennbar gewesen sein
sollen, ist nicht ersichtlich. Nach dem vom Arbeitsgericht zugrunde gelegten
Sachverhalt war aus den dem Hinweis nachfolgenden Nachrichten gerade nichtherauszulesen, der Kläger habe, wie von ihm behauptet, weiterhin lediglich
einen rein freundschaftlichen Kontakt gewollt. Die Nachrichten hätten vielmehr
einen drohenden Charakter angenommen. Abweichende Feststellungen hat
das Landesarbeitsgericht nicht getroffen.
cc) Das Landesarbeitsgericht hat zudem nicht ausreichend geprüft, ob eine
Abmahnung im Streitfall deshalb entbehrlich war, weil dem Kläger schon aufgrund des im Jahr 2007 durchgeführten Beschwerdeverfahrens und des Schreibens der Beschwerdestelle vom 19. April 2007 bewusst sein musste, dass die
Verletzung der Privatsphäre von Mitarbeiterinnen durch beharrliche Kontaktaufnahme gegen deren Willen eine schwerwiegende Pflichtverletzung darstellte,
deren abermalige Hinnahme durch das beklagte Land ausgeschlossen wäre.
Dem stünde nicht entgegen, dass sich das Schreiben nur mit dem zu respektierenden Wunsch der damals betroffenen Mitarbeiterin befasste. Der Kläger
konnte nicht annehmen, das beklagte Land würde den entsprechenden Wunsch
einer anderen Mitarbeiterin nicht für gleichermaßen verbindlich halten.
c) Auch die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, das Fehlverhalten des
Klägers stelle sich nicht als so gravierend dar, dass seine Weiterbeschäftigung
dem beklagten Land „unter keinen Umständen zuzumuten“ sei, hält einer
revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Es ist erneut nicht ersichtlich,
welches Fehlverhalten das Landesarbeitsgericht seiner Bewertung zugrunde
gelegt hat. Der Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung des Klägers steht
jedenfalls nicht notwendig entgegen, dass dieser auf die entsprechende Aufforderung des beklagten Landes vom 13. Oktober 2009 hin jegliche Kontaktaufnahme mit der betroffenen Mitarbeiterin unterlassen hat. Dadurch ist nicht
ausgeschlossen, dass der Kläger den Wunsch einer anderen Mitarbeiterin, ihre
Privatsphäre zu respektieren, künftig wiederum solange missachten wird, wie
ihn das beklagte Land nicht auffordert, ihm nachzukommen.
II. Die angegriffene Entscheidung erweist sich nicht aus anderen Gründen
als richtig oder sonst zur Endentscheidung reif. Ob die Kündigung des beklagten Landes vom 13. November 2009 das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgelöst hat, kann noch nicht beurteilt werden.1. Der Senat kann nicht selbst entscheiden, ob dem beklagten Land unter
Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der
Interessen beider Vertragsteile eine Weiterbeschäftigung des Klägers iSv. § 54
Abs. 1 BAT, § 626 Abs. 1 BGB unzumutbar war.
a) Der Kündigungssachverhalt ist bisher nicht umfassend festgestellt. Ob
eine Abmahnung angesichts der Schwere der Pflichtverletzungen des Klägers
und des im Jahr 2007 durchgeführten Beschwerdeverfahrens entbehrlich war,
kann der Senat daher nicht abschließend würdigen. Für die neue Verhandlung
und Entscheidung wird das Landesarbeitsgericht die nachfolgenden Erwägungen zu berücksichtigen haben.
b) Stellt ein Arbeitnehmer einer Kollegin unter bewusster Missachtung
ihres entgegenstehenden Willens im Betrieb oder im Zusammenhang mit der
geschuldeten Tätigkeit beharrlich nach, ist dies an sich als wichtiger Grund für
eine außerordentliche Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Dabei
kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an (vgl. § 238
StGB), sondern auf die mit diesem Verhalten verbundene Störung des Betriebsfriedens. In einem derartigen Verhalten liegt nicht nur eine Verletzung des
Persönlichkeitsrechts der Betroffenen, sondern zugleich eine erhebliche Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des
Arbeitgebers gemäß § 241 Abs. 2 BGB. Dieser hat die Integritätsinteressen
seiner Mitarbeiter zu schützen. Ob das Nachstellen zur außerordentlichen
Kündigung berechtigt, ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere vom Ausmaß und von der Intensität der Pflichtverletzung und deren
Folgen – vor allem für die betroffenen Mitarbeiter -, einer etwaigen Wiederholungsgefahr und dem Grad des Verschuldens. Die für diese Würdigung relevanten Umstände sind deshalb festzustellen.
2. Das Landesarbeitsgericht hat – nach seiner Rechtsauffassung konsequent – bislang nicht geprüft, ob das beklagte Land die Kündigungserklärungsfrist gemäß § 54 Abs. 2 BAT, § 626 Abs. 2 BGB, § 91 Abs. 5 SGB IX gewahrt und den Personalrat ordnungsgemäß beteiligt hat. Sollte es bei der neuen
Verhandlung und Entscheidung zu dem Ergebnis kommen, dass ein wichtiger
Grund für die außerordentliche Kündigung iSv. § 54 Abs. 1 BAT, § 626 Abs. 1
BGB bestand, wird es dies nachzuholen haben.Kreft Eylert Rachor
Frey Grimberg
Abmahnung Arbeitgeber, Erfordernis einer Abmahnung, Rügefunktion und Warnfunktion einer Abmahnung (Abmahnung Arbeitgeber)